Kürzestgeschichten: Warum Flash Fiction wichtig ist und was du davon lernen kannst

Manchmal brauche ich eine kleine Auszeit von meinem Roman.

Doch so richtig kann ich meine Finger dann doch nicht davon lassen, denn ich schreibe gerne Kürzestgeschichten, auch Flash Fiction genannt, die in derselben Fantasywelt spielen, aber einen viel kleineren Handlungsrahmen besitzen.

Doch was sind eigentlich Kürzestgeschichten?

Was sind Kürzestgeschichten und was ist Flash Fiction?

Der Begriff «Flash Fiction» stammt aus dem Amerikanischen und bezeichnet Kürzestgeschichten jeden Genres und Themas mit 250 bis 1000 Wörtern. Obwohl diese Flash Fictions in ihrem Umfang sehr beschränkt sind, haben sie den Anspruch, «richtige» Geschichten zu sein.

Kürzestgeschichten werden als solche geschrieben. Das heisst, dass es nicht längere Geschichten sind, die einfach auf 1000 Worte gekürzt wurden. Es sind Geschichten, die alles beinhalten, was eine «normale» Kurzgeschichte ausmacht: Protagonist, Antagonist, Konflikt und Auflösung, Charakterentwicklung, Spannung, Dialoge, Setting.

Eine gute Flash Fiction ist in sich geschlossen. Das heisst, dass sie als eigenständige Geschichte funktioniert und nicht den Eindruck hat, Teil eines längeren Textes zu sein. Darum braucht eine gute Kürzestgeschichte nicht nur einen perfekten ersten Satz, sondern auch ein perfektes Ende. Der Leser soll am Ende der Geschichte nicht mit dem Gedanken «Ja, und nun?» zurückbleiben.

Um das zu verhindern, brauchst du wenigstens einen groben Plan, wie die Geschichte aussehen soll: Was geschieht mit dem Protagonisten? Wie entwickelt sich der Protagonist? Was ist der Höhepunkt und was ist die Auflösung?

Warum ist Flash Fiction für Autoren wichtig?

  1. Du lernst, dich kurzzufassen. Viele Autoren verfallen ins Schwafeln und erzählen Dinge, die für die Geschichte nicht relevant sind und den Leser langweilen. Worldbuilding ist toll, aber für Flash Fiction musst du diese Informationen zwingend anders rüber bringen als mit einem Infodump-Block am Anfang der Geschichte.
  2. Du lernst, dich auf das Wichtigste zu fokussieren. Eine Kürzestgeschichte kommt mit einer Figur (oder maximal zwei) aus. Die Vorgeschichte des Hundes des besten Freundes deines Protagonisten hat hier keinen Platz – und ist wahrscheinlich für die Geschichte sowieso irrelevant. Auch für Nebenplots ist kein Spielraum. Aber nicht nur die Figuren und der Plot sind beschränkt. Auch die Anzahl an Szenen oder der Zeitraum, in dem die Geschichte spielt, ist limitiert. Beschränke daher deine Kürzestgeschichte auf einen einzigen Plot mit einer oder zwei Figuren in einem knappen Setting.
  3. Du lernst, präzise zu schreiben. Unnötige Wörter haben keinen Platz. Füllwörter, wie wir sie in der gesprochenen Sprache verwenden, blähen den Text auf und nehmen den wichtigen Wörtern den Platz weg. Ganz zu Schweigen von Adverbien und Adjektiven: vermeide doppelte Aussagen wie «flüsterte er leise» oder «brüllte er mit lauter Stimme». Ersetze umständliche Formulierungen wie «er trank mit lautem Geräusch seinen Kaffee» durch «er schlürfte seinen Kaffee», oder präzisiere «der kleine Hund» mit «Mops».
  4. Du lernst, etwas zu beenden. Obwohl du ein gewisses Mass an Vorarbeit leisten musst (was ist der grobe Plot, wer ist Hauptfigur und wie ist das Ende?), kannst du Kürzestgeschichten schnell niederschreiben. Du brauchst dafür keine paar Tage, in der Regel reichen dafür einen Nachmittag oder gar ein paar wenige Stunden. Auch die Überarbeitung verschlingt nicht Unmengen an Zeit. Die Chance, dass du eine Geschichte beendest, ist viel grösser, als wenn du ein grosses Projekt wie einen Roman angehst.
  5. Du kannst verschiedene Genres, Themen und Settings ausprobieren. Weil Flash Fictions schnell geschrieben werden können, kannst du innert kurzer Zeit viele verschiedene Stile oder Genres ausprobieren. Du verlierst nicht viel Zeit, wenn du eine oder zwei Stunden in eine Romance Flash Fiction investiert und herausgefunden hast, dass dir Romanzen nicht liegen.
  6. Du kannst für Kurzgeschichtenwettbewerbe üben. Wettbewerbe haben oftmals Vorgaben, was Thema, Länge oder Genre betrifft. Wenn du es schaffst, spannende und mitreissende Kürzestgeschichten zu schreiben, fällt es dir leichter, Längenvorgaben von Wettbewerben einhalten zu können.
  7. Flash Fiction sind beste «Häppchen für zwischendurch» – sowohl für den Autor als auch für den Leser.

Meine Flash Fiction Schreibtipps:

  • Beschränke dich auf maximal eine oder zwei Figuren
  • Beschränke dich auf maximal eine oder zwei Szenen
  • Mache dir Gedanken über den groben Plot: Hast du einen Protagonisten, einen Konflikt und eine Auflösung?
  • Hat deine Geschichte einen Anfang, eine Mitte und ein Ende?
  • Fokussiere dich auf den Hauptkonflikt. Für anderes hast du keinen Platz.
  • Beginne die Geschichte kurz vor dem Höhepunkt, denn für eine lange Einleitung hast du keinen Platz.
  • Überlege dir eine Aussage und prüfe, ob diese am Ende auch beim Leser ankommt.
  • Schreibe ohne Einschränkung und ohne Korrektur. Kürze und straffe bei der Überarbeitung: Schaffe einen Brocken aus Stein, aus welchem du deine Geschichte herausmeisselst.

Create a lump of stone from which you chip out your story sculpture. David Gaffney

  • Streiche alle unnötigen Adjektive und Adverbien.
  • Schreibe einen perfekten ersten Satz. Er soll den Leser dazu bringen, weiterzulesen.
  • Sorge dafür, dass der letzte Satz beim Leser hängen bleibt.
  • Finde einen perfekten Titel.

Fazit:

Flash Fiction schrecken viele (Jung-)Autoren ab, weil sie nach viel Arbeit aussehen. Auch ich habe Flash Fiction früher gemieden, weil ich der Meinung war, dass ich mich nicht kurzfassen konnte und Platz für meine Ideen brauchte. Dass all meine Ideen zu gross seien, um diese in eine Kurz- oder Kürzestgeschichte zu quetschen.

Mich hat jedoch die Herausforderung gereizt, innerhalb von 1000 Wörtern eine funktionierende Geschichte zu schreiben. Anfänglich waren alle meine Ideen viel zu «episch“ und ich musste lernen, in kleinerem Rahmen zu denken. Jetzt finde ich Flash Fiction schon fast entspannend zu schreiben, weil ich in einem relativ kurzen Zeitraum etwas von Anfang bis Ende schaffen kann.

Flash Fiction ist eine grandiose Spielwiese, um in kurzer Zeit und auf kleinem Raum all die Elemente zu testen und zu üben, die auch in längeren Geschichten oder gar Romanen eine wichtige Rolle spielen.

Schreibst du Flash Fiction oder Kurzgeschichten?
Wie sind deine Erfahrungen?

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    Ein sehr schöner und interessanter Beitrag!

    Die meisten Texte, die ich verfasse, sind sehr kurz (eben um die 1000 Zeichen). Ob sie als Flash Fiction zu qualifizieren sind – weiß ich nicht.
    Meistens werden es bei mir nur „Szenen“. Diese haben zwar intern durchaus einen Aufbau/Spannungsbogen, aber manchmal bestehen sie z.B. nur aus einem Dialog, bei dem sich Person A und Person B missverstehen und deshalb etwas passiert/ es lustig für den Leser wird.
    Ich finde diese kurze Form, wie du schreibst, super, um Ideen zu testen. Da ich gerne auch mit der Form (nicht nur mit dem Inhalt) experimentiere, merkt man bei so einem Textchen schnell, was funktioniert, und was nicht.
    Diese Kürzestgeschichten machen dann tatsächlich so viel Spaß, dass ich meistens gar keinen langen Atem mehr für größere Projekte habe(n will). ?

    Manchmal braucht man ja auch beim Verfassen von Romanen eine kurze „Einschreibphase“, bis man wieder in der Welt drin ist. Dazu sind diese Texte auch gut – als Dehnübung sozusagen. Und manchmal entwickelt sich aus so einem kurzen, in sich geschlossenen Text plötzlich eine glorreiche Idee für den längeren. Alles schon passiert. ?

    – A. M.

    Antworten

    Liebe Arina,

    ich persönlich schreibe beides gerne, Szenen / Dialoge (also „Momentaufnahmen“), aber auch „richtige“ Geschichten. Da reizt mich die Herausforderung, in dieser Kürze eine runde Geschichte hinzukriegen ?

    Das mit der „Einschreibphase“ kenne ich auch sehr gut, dazu sind diese Kürzestgeschichten prima geeignet – oder aber fast besser finde ich noch kürzere Texte, die nicht zwingend eine Geschichte sein müssen, so wie du sie schreibst.

    Auch „Finger-“ oder „Dehnübungen“ sind super, wenn man auf der Suche nach neuen Ideen ist – da ist mir auch schon oft passiert, dass ich dann viel mehr Lust hatte, was neues zu schreiben, als am aktuellen Projekt zu bleiben. Nun ja, das Gras ist ja immer grüner auf der anderen Seite ?

    Danke dir vielmals für deinen Kommentar und frohes Schreiben!

    Yvonne

    P.S. Tolle Texte übrigens! 🙂

    Antworten

    ? Stimmt, man will selten genau das schreiben, was eigentlich dran wäre (z.B. die nächste Szene für den Roman).

    Siehst du eigentlich eine vielversprechende Zukunft für Kürzestgeschichten als literarische Form? Solche Flash Fiction ist ja sehr zum Lesen auf dem Bildschirm geeignet. Mir scheint sie eine bessere Lösung für „digitale Literatur“ zu sein, als z.B. diese SMS-Romane (und was sonst noch versucht wurde).

    – A. M.

    PS: Danke ?

    Antworten

    Ich denke schon, dass die Flash Fiction Zukunft hat. In Amerika ist diese Form schon viel bekannter, es gibt sogar einen Flash Fiction Day 🙂

    Es gibt ja noch extremere Formen der Flash Fiction, als diese mit den 1000 Wörtern – Geschichten mit maximal 100 Wörtern z.B. Aber ich glaube, dass solche Sachen oder beispielsweise „Twitter Fiction“ sich nicht so richtig durchsetz(t)en, weil sie ein Stück weit zu „künstlerisch“ und / oder zu abstrakt sind, oder dem Leser nicht genug Stoff geben. Ich könnte mir vorstellen, dass das einige Leser (und auch Autoren) abschreckt.

    Ich persönlich lese gerne Geschichten um die 1000 Wörter zwischendurch, weil da doch genügend Platz ist, um (meistens) was vom Text mitzunehmen, ich aber keinen Nachmittag brauche, um die Geschichte zu lesen. Und wie du sagst, fürs Lesen am Bildschirm ist diese Länge sehr angenehm. Ich wünsche mir, dass es mehr Flash Fiction in diese Richtung gibt (vielleicht suche ich einfach am falschen Ort – ich wurde aber nicht richtig fündig, was deutsche Online Flash Fiction angeht). Bin jedenfalls offen für jegliche Hinweise 😉

    Antworten

    Hallo,
    „wurde nicht fündig was deutsche Online Flash Fiction angeht“: Vielleicht kennst die Seite ja schon: http://www.leselupe.de dort gibt es einen Bereich Kurzprosa, sowie einen Bereich Kurzgeschichten. Denke Kurzprosa kommt dem mitunter schon sehr nahe.
    lg

    Hey Flex!

    Danke dir für den Tipp – da guck ich gerne mal rein! 🙂

    LG
    Yvonne

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    […] wie sie dir als Autorin oder Autor weiterhelfen können, kannst du auf dem Blog der lieben Yvonne hier nachlesen. […]

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