Worldbuilding: Von der Idee, eine eigene Welt zu erschaffen

Dies ist der erste Teil einer kleinen Serie zum Thema Worldbuilding.


Ich lese und schreibe liebend gerne Fantasy. Ich mag es, in fremde Welten entführt zu werden, wo ich zusammen mit den Figuren unbekannte Regionen entdecken oder fremde Bräuche, Legenden und Kulturen kennenlernen kann.

Ich liebe es, Details zu den Welten zu erfahren, in denen die Geschichten spielen. Seien das verstreute Hinweise zu Bräuchen, Beschreibungen von Architektur oder sprachliche Eigenheiten der Figuren.

Das Entdecken dieser Welten macht mir zudem mehr Spass, wenn mir diese Informationen nicht zu Beginn in einem Prolog und drei Kapiteln vor die Nase geklatscht werden, sondern im ganzen Roman verteilt sind und sich mir diese Welt Stück für Stück offenbart.

Dabei lege ich Wert auf eine realistische Darstellung der Welt. Das mag zwar in Zusammenhang mit Fantasy vielleicht widersprüchlich klingen; aber nichts vergrault mich mehr als unlogisches Worldbuilding.

Beispielsweise, wenn es keinen Mond gibt, die Figuren die Höhle aber bei Ebbe erkunden. Wenn direkt benachbarte Länder einen völlig unterschiedlichen technischen Fortschritt vorweisen. Oder wenn ein Land Unmengen an Nahrungsmitteln produziert und exportiert, die Bevölkerung aber aus Nomaden besteht.

Natürlich können unlogische Begebenheiten in deiner Welt vorkommen. Diese solltest du aber auf eine nachvollziehbare, einleuchtende Art begründen und für den Leser schlussendlich logisch erklären.

Braucht es gleich eine ganze Welt?

Es ist nicht immer nötig, gleich eine ganze Welt zu erfinden. Vielleicht beschränkt sich deine Geschichte auf ein reduziertes Setting, dann musst du nicht gleich fünf andere Länder und Kontinente dazu erfinden. Vorausgesetzt natürlich, diese Länder spielen in der Geschichte keine Rolle.

Habe ich eine in sich geschlossene Geschichte, so erfinde ich nur so viel darum herum, wie ich brauche.

Handelt es sich aber beispielsweise um einen mehrteiligen Roman, macht es Sinn, die Welt nicht erst während des Schreibens zu entdecken, sondern gewisse Eckpunkte schon vorher festzulegen. So kannst du Widersprüche, Ungereimtheiten oder Anpassungen einfacher behandeln, als wenn du beim dritten Teil merkst, dass zum Beispiel das Land A vom ersten Band gar nicht mit Land B aus dem zweiten Band im Krieg liegen kann.

Indem du die wichtigsten Ereignisse, Bündnisse und Eigenheiten der Länder, Völker und Regionen im Voraus definierst, kannst du dir im Nachhinein viel Arbeit sparen.

Warum ich eine komplette Welt erschaffen habe

Ich arbeite seit einer Weile an einer Kurzgeschichtensammlung, die in derselben Welt spielt, in der auch mein Roman angesiedelt ist. So kann ich die Länder und Regionen besser kennenlernen und meine Welt in einem kleinen Rahmen testen.

Kontinente, Regionen und Länder dienen mir als Bühne für die Figuren. Je nach Region und Klima reagieren die Menschen anders auf die Natur, glauben an andere Kräfte oder Gottheiten, oder haben unterschiedliche Weltanschauungen – und bieten so Reibungsfläche und Konfliktpotenzial. Und Konflikte sind schliesslich der Zündstoff für jede Geschichte.

Ausserdem inspiriert mich der Weltenbau sehr zu neuen Ideen, und am liebsten würde ich zu jeder Region eine Geschichte schreiben, die darin spielt.

Welche Gefahren lauern beim Worldbuilding?

Die Ideen sprudeln, die Kontinente sind definiert, die Völker platziert. Die Länder formen sich gerade, der eine König hat soeben ein kleines Land annektiert. Hier noch ein aktiver Vulkan, der für ein bisschen Spannung sorgt und dort noch ein unüberwindbarer Gebirgskamm.

Den Fokus verlieren

Zu diesem Gebirgskamm kennen die Menschen übrigens über dreihundert Sagen, wovon mindestens die Hälfte von zwei Eunuchen niedergeschrieben wurde und nun in der Königlichen Bibliothek der Hauptstadt lagert.

Aber Moment! Die eigentliche Geschichte dreht sich um etwas völlig anderes, nämlich um das Schicksal eines Fischers und seiner Tochter, die er des Brauches wegen ins benachbarte Dorf verheiraten muss.

Es ist leicht, beim Weltenbau den Fokus zu verlieren. Schnell ist Zeit für irgendwelche unnötigen Details verschwendet, die am Ende gar keine Rolle spielen.

Denke daher immer daran, was du mit der Welt anstellen und warum du sie überhaupt erschaffen willst.

Der gute alte Infodump

Das wohl Gefährlichste beim Weltenbau ist dem Leser zu viele unnötige Informationen vorzusetzen, ihm die Welt also mittels „Infodump“ aufzuzwingen. Darum gilt auch hier: Was nicht unmittelbar mit der Geschichte zu tun hat und sie voranbringt, gehört gestrichen.

Ja, das tut weh. Denn wie gerne hätte ich, dass all meine Leser wissen, wie toll die Wüstenregion geworden ist. Aber dummerweise spielt die Geschichte jetzt nun mal in der Eisigen Einöde.

Ich rufe mir an dieser Stelle immer wieder das Bild des Eisberges in den Sinn:

Die 10% über der Wasseroberfläche sind die Informationen, die der Leser erhält. Die restlichen 90% sind allein nur für dich.

Die treue Prokrastination

Eine weitere Gefahr ist die der Prokrastination. Weltenbau kann Stunden, in den meisten Fällen Tage oder Wochen verschlingen. Und dabei bleibt die eigentliche Story schnell auf der Strecke.

Damit das nicht geschieht, versuche ich, die Welt so weit auszuarbeiten, dass ich für mich die wichtigsten Fragen zu Politik, wirtschaftlicher, religiöser und kultureller Entwicklung und zum geschichtlichen Hintergrund schlüssig beantworten und die Antworten auch logisch erklären kann.

Detailliertere Informationen wie Bräuche, Legenden oder spezielle technische Errungenschaften entdecke ich schliesslich während des Schreibens der Geschichten.

Fazit

Manchmal brauchst du nicht gleich eine ganze Welt zu erschaffen, sondern es reicht, von den bestehenden Figuren und Regionen etwas in die Tiefe zu gehen. Manchmal aber bietet es sich an, wenn du dir eingehend Gedanken zu deiner Welt machst, etwa wenn du Serien oder Mehrteiler planst.

Wichtig dabei ist, dass du vor allem logisch vorgehst und dem Leser das Gefühl gibst, dass diese Welt existieren könnte.

Doch egal wie viel Hintergrundwissen du hast und wie in- und auswendig du deine Welt kennst: Ertränke den Leser nicht mit einer Flut an Informationen. Vermeide den Infodump und streue die Details deiner Welt an verschiedenen Stellen in die Geschichte ein.

Lass den Leser ein wenig puzzeln und sich das Bild deiner Welt selber zusammensetzen.


In einem nächsten Beitrag gehe ich weiter auf den Weltenbau ein und zeige dir an einem konkreten Beispiel, wie ich meine phantastischen Welten erschaffe.

*

Wie gehst du beim Weltenbau vor? Hast du dich auch schon einmal in Details verrannt, oder planst du die Welten während des Schreibens? Wie sind deine Erfahrungen?

3

    Ich hab während dem Lesen immer nur zustimmend genickt. ^^ Ich selber baue eher im kleinen Stil und dann nach und nach das dazu, was ich brauche. Ich habe mich damit aber auch schon einmal übel verzettelt, weil mein Plot dadurch auf einmal nicht mehr aufging.

    Worauf ich versuche zu achten und was mir beim Lesen auch immer auffällt: Lichtquellen. Haben die Städte so etwas wie Straßenlaternen? Auch in den „Ghettos“? Im Wald ist es in der Nacht ohne Licht einfach stockdunkel, trotzdem hüpfen Helden immer wieder völlig unbekümmert dort herum.

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    Ich glaube eben auch, dass ich mich verzettele, wenn ich die Welt laufend weiterentwickle. Darum möchte ich das Wichtigste im Vorfeld definiert haben, dann muss ich den Plot nur einmal anpassen. :>

    Mit den Lichtquellen hast du vollkommen recht; Strassenlaternen gingen ja noch, aber irgendwer (irgendwas?) muss die ja dann auch noch an- und ausmachen. ^^ Und ja, ich kenne auch einige Bücher, in denen die Helden so einfach durch den dunklen Wald spazieren. Ich finde für sowas ein bisschen LARP-Erfahrung noch praktisch – da hat man schon am eigenen Leib erfahren, wie es ohne Licht im Wald ist 🙂

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