Dies ist der zweite Teil einer kleinen Serie über das Worldbuilding.

Heute zeige ich dir, was für Fragen ich mir stelle und welche Faktoren ich berücksichtige, um die ersten groben Skizzen einer Weltkarte anzufertigen.

Wie beim Roman oder bei einer Kurzgeschichte erstelle ich auch für die Karten erst einmal eine grobe Skizze. Darin lege ich ganz grob die Umrisse der Kontinente, Inseln und Länder fest, vielleicht noch die wichtigsten geographischen Elemente, wie beispielsweise Gebirgszüge, die als Grenzen gelten könnten.

Ich vergeude noch keine Zeit damit, irgendwelche Namen für eventuelle Flüsse, Seen, Berge oder Länder zu finden, denn in diesem Schritt geht es erst darum, einen Überblick über die Welt zu gewinnen.

Doch bevor ich mit dem Zeichnen der Karte beginne, muss ich mir bewusst werden, was ich eigentlich will. Darum habe ich mir ein paar Fragen zusammengestellt, die ich mir jeweils vor dem Zeichnen einer Weltkarte beantworte:

Was will ich in meiner Welt haben?

Wie es beim Roman Szenen gibt, die ich bildlich vor Augen habe und unbedingt im Plot unterbringen will, habe ich auch schon Orte oder Völker im Kopf, die ich in meiner Welt platzieren will.

Bevor ich mich mit Stift und Papier ans Gottspielen mache, erstelle ich erst eine Liste mit all den Dingen, die ich in meiner Welt gerne hätte. Diese Liste könnte zum Beispiel so aussehen:

  • Die eisigen Ebenen von Nerasil
  • Die Kristallhöhlen
  • Ein grosses Sumpfgebiet / Moor
  • Zwei rivalisierende Länder
  • Eine unberührte (unentdeckte?) Zivilisation, die sich völlig anders entwickelt hat, als der Rest
  • Unterschiedliche Kulturen
  • Eine Unterwasserstadt

Diese Liste nehme ich zur Hand, wenn ich die Weltkarte zeichne, und schaue, wo ich die einzelnen Punkte der Liste am besten unterbringen kann.

Worauf basiert meine Welt?

Da ich nicht SciFi schreibe, habe ich es wahrscheinlich ein wenig leichter: Ich basiere meine Welten gerne auf unserer realen Welt. Ich stelle mir unsere Welt als Baukasten vor, aus dem ich verschiedene Elemente (Klimazonen, Elemente der Astronomie und der Geologie, Völker, Regionen, Technik, …) für meine Welt auswählen und einsetzen kann.

Anschliessend überlege ich mir, wie ich diese einzelnen Elemente so verändern kann, dass aus diesen Elementen eine phantastische Alternative entsteht. So könnte es in der phantastischen Welt ebenfalls einen Mond geben. Aber was wäre, wenn nur einmal pro Jahr Vollmond wäre, oder wenn die Welt gar mehrere Monde hätte? Damit ich mich dabei nicht in die Logikfalle tappe, muss ich wissen, wie so ein „Einjahresvollmond“ oder „Mehrfachvollmond“ entstehen könnte und was das für Auswirkungen auf die Welt an sich hat. Und obwohl die Welt schlussendlich phantastisch ist, sollten sich diese Auswirkungen einigermassen (astronomisch) logisch erklären lassen.

Ich finde es einfacher, dem Leser diese neue Welt näher zu bringen, wenn die phantastische Welt in den Grundzügen auf der realen Welt basiert. Weil er sich so auf bekannte Abläufe verlassen kann.

Wie umfangreich soll die Welt sein?

Der Umfang kommt bei mir ganz auf die Ausgangslage drauf an:

Habe ich bereits eine Idee für eine Geschichte, dann gehe ich vom Kleinen zum Grossen. Konkret: Wie viele Informationen benötige ich für meine Welt, damit die Geschichte lebt, aber nicht in unnötigem Hintergrundwissen versinkt? Hier lege ich fest, was ich für meine Geschichte unbedingt brauche.

Zum Beispiel: Meine Story spielt in einem Fischerdorf und dessen Umgebung. Also brauche ich wahrscheinlich den Namen des Dorfes und Informationen zur unmittelbaren Umgebung und dem Meer (Bewohner, Gefahren, Flora und Fauna, besondere Orte, …).

Werden meine Dorfbewohner ständig von irgendwelchen Fremden schikaniert, muss ich wissen, wer die sind, woher die kommen, warum sie das tun. Für die Story irrelevant aber ist dann wahrscheinlich, dass vor dreihundert Jahren ein Bürgerkrieg getobt hat und der aktuelle König Melvin heisst und Albino ist. Ausser aber, der König wird im Laufe der Geschichte entführt – dann wiederum sind solche Informationen vielleicht wieder wichtig.

Im anderen Fall habe ich noch keine Geschichte. Ich möchte eine Welt erschaffen und schauen, zu welchen Erzählungen sie mich inspiriert: Dann gehe ich vom grossen Ganzen ins Detail. In diesem Fall wird meine neue Welt sehr wahrscheinlich umfangreicher werden, als im ersten Beispiel, aber sicherlich nicht überall bis ins Detail ausgearbeitet sein.

Die Karte

Egal, ob ich das Setting meiner Story schon kenne, oder ob ich mich von der Karte überraschen lassen will:

Ich zeichne am Anfang gerne einen ganz groben Plan der gesamten Welt, und entscheide mich dann, wo ich das Setting der Story platzieren will. Oder ich lasse mich überraschen, welche Stellen der Karte mich am meisten zu einer Geschichte inspirieren, und arbeite von dort weiter.

Tipps für interessante Karten

Früher habe ich mich immer schwer getan, zufriedenstellende Formen für Inseln oder Kontinente zu zeichnen. Doch mit ein paar einfachen Kniffen ist es kinderleicht, tolle und „realistische“ Formen zu finden.

Die Google Maps-Methode

Sehr praktisch, wenn du ein Zeichentablett und eine entsprechende Software hast. Schau dich mal auf Google Maps um und lass dich von den verschiedenen Küstenlinien inspirieren. Mache einen Screenshot von einer Region, die dir gefällt. Lade sie in deinem Grafikprogramm, zeichne die Linie nach und mach daraus deinen eigenen Kontinent.

Google Maps Methode

Die Textur-Methode

Vielleicht inspirieren dich auch Texturen. Rost ist beispielsweise sehr gut geeignet, um Inseln und Küstenlinien zu zeichnen. Für dieses Beispiel habe ich in der Google-Suche „Rost“ eingegeben und mir ein Bild herausgepflückt. Dieses habe ich wiederum in einem Grafikprogramm geladen (du kannst das Bild natürlich auch ausdrucken und durchpausen, zum Beispiel am Fenster) und die einzelnen Flecken nachgezeichnet.

Rost Methode

Die Nudel-Methode

Am besten funktioniert diese Methode mit einer grossen Anzahl kleiner Dinge. Linsen, Sonnenblumenkerne, Smarties, Reis … oder in meinem Beispiel: Buchstabennudeln.

Leere auf ein Blatt Papier eine Handvoll Nudeln/Smarties/Reis aus. Ein wenig Schütteln und Schieben (am besten machst du das mit geschlossenen Augen). Dann zeichne die Kontur der Form mit einem Stift – am besten mit einem Bleistift, damit du noch verfeinern kannst – nach.

Das sieht dann irgendwie so aus:

Nudel Methode

Wenn alle Stricke reissen …

… gibt es zur Inspiration immer noch die Generatoren online, wie zum Beispiel:

  • Planet Map Generator: Verschiedene Werte, die verändert werden können. Liefert eine Karte basierend auf Fraktalen.
  • Fractal World Generator: Zeigt bei Bedarf sogar Städte, Regionen und Namen an. Liefert eine Karte basierend auf Fraktalen.
  • Fantasy Maps Generator: Ausgeklügelter Generator, liefert jedoch keine ganzen Karten

Fazit

Mit ein wenig Vorarbeit, die sich wirklich in Grenzen hält, habe ich schon ein ungefähres Bild vor Augen, wie meine Welt aussehen, oder was sie zumindest beinhalten soll.

Für mich ist es wichtig, den allerersten Entwurf einer Karte auch als solchen zu behandeln: Es braucht weitere Überarbeitungsschritte; Inseln, die hinzugefügt werden müssen; Formen, die noch nicht passen. Erst wenn ich mit der allgemeinen Form zufrieden bin, beginne ich damit, Gebirgszüge, Seen und Flüsse zu platzieren.


Im nächsten Beitrag zeige ich dir, wie ich die Karten weiter ausarbeite.