Schwarmplauderei: Carmen Capiti erzählt über ihre Anfänge, Cyberpunk und den „Verein Schweizer Phantastikautoren“

Heute gibt es nochmals einen Beitrag zur Schwarmplauderei: Da mich brennend interessiert, was Schweizer Fantasyautoren so treiben, habe ich meine Fühler in die hiesige Phantastikszene ausgestreckt – und bin fündig geworden.

Ich freue mich, dir heute eine tolle, aufstrebende Autorin vorstellen zu dürfen: Carmen Capiti. Sie ist Phantastikautorin aus der Schweiz und hat soeben ihr zweites Buch veröffentlicht.

Bei einem netten Treffen in Zürich hat sie mir viel Interessantes und Spannendes über ihre Projekte, ihre Arbeitsweise und den von ihr gegründeten Verein verraten.

Viel Spass! 🙂


Hallo Carmen!
Die einen oder anderen kennen dich vielleicht noch nicht – magst du uns verraten, wer du bist, was du beruflich machst und was du schreibst?

Ich bin Carmen Capiti und schreibe unter einem offenen Pseudonym, das ich aus reiner Herzenssache gewählt habe. Ich bin beruflich als Informatikerin im Bereich Security Testing tätig und schreibe schon von Kindesbeinen an.

An meinem ersten Roman (Das letzte Artefakt), einem High-Fantasy Roman, habe ich ungefähr zwölf Jahre geschrieben – erschienen ist er im März 2015. Mein zweiter Roman, Die Geister von Ure, ist gerade eben erschienen. Das Genre ist ein wenig ein schwieriges, wenn ich das so sagen darf. Ich nenne es gerne «Phantastik“ – ein tolles Wort, wie ich finde. Im Sommer erscheint dann bereits mein nächstes Buch: Es ist ein Cyberpunk-Roman, den ich über den books2read Verlag veröffentliche.

Ich fahre also ein wenig zweigleisig was das Genre und das Publishing angeht. 🙂

Wie bist du zum Schreiben gekommen?

Angefangen habe ich mit Fanfiction – damals wusste ich aber nicht, dass man das so nennt. Ich habe zusammen mit einer Freundin eine Geschichte geschrieben, abwechselnd eine Szene nach der anderen in der Welt von Mittelerde. Und ich habe massenweise Bücher verschlungen. Da mein Freundeskreis nicht der grösste war, ich aber umso mehr Stofftiere hatte, habe ich meine Geschichten ihnen vorgetragen.

Ausschlaggebend war dann aber «Herr der Ringe“. Ab da wusste ich, dass ich meine eigene Geschichte schreiben wollte.

Egal ob es eine Serie, ein Buch oder ein Film ist: Mich faszinieren die Underdogs. Boromir von «Herr der Ringe“ war einer meiner Lieblingscharaktere. Daraus entsprang die Idee für Arala: Ich wollte nicht den strahlenden Über-Helden, sondern einen «kaputten“ Charakter, der auch moralisch menschlich ist. Verräterfiguren faszinieren mich, denn sie haben häufig spannende, nachvollziehbare Motive.

Arala ist die Hauptfigur deines ersten Romans. Worum geht es da?

«Das letze Artefakt“ spielt in einem Setting, das an die Mongolei zur Zeit des Dschingis-Khan angelehnt ist, also nicht in einem klassischen Mittelalter-Fantasysetting. Die Geschichte dreht sich um Arala, die meistgesuchte Verbrecherin des Landes. Verschiede Umstände zwingen sie dazu, sich zusammen mit einer Gruppe auf die Suche nach ihrer Schwester und einem Artefakt zu machen – und das, obwohl sie viel lieber alleine unterwegs wäre. Mich reizte an der Geschichte, dass für einmal ein Bösewicht die Hauptrolle spielen durfte.

Wie hast du damals, vor 12 Jahren, mit dem Schreiben des Romans begonnen?

Ich habe einfach mal drauflos geschrieben, ohne Ahnung von Plot, Charakteren und Spannungsbogen. Nach fünfzig Seiten habe ich zudem aus Versehen alles gelöscht – damals war es mit Backups und Clouds noch nicht so weit her … Nach dieser Erfahrung habe ich dann meine Sicherungskopien auf Disketten abgelegt.

Am ersten Entwurf arbeitete ich in ganz unregelmässigen Abständen. Während des Studiums beispielsweise kam ich gar nicht zum Schreiben. Danach aber erwachte mein Interesse am Handwerk des Schreibens. Ich bin im Internet auf das Schreibforum Tintenzirkel gestossen und habe zeitgleich an meinem Roman weitergeschrieben. Die Unterstützung im Forum hat mir sehr geholfen – ohne sie wäre ich jetzt nicht da, wo ich heute bin.

Wie schreibst du heute?

Seit dem Artefakt schreibe ich nicht mehr ohne Plan, weil bei der Überarbeitung einfach sehr viel Zeit draufgegangen ist. Ich hatte zwischenzeitlich mehrere Versionen vom Artefakt, ausserdem wurde ich durch die vielen Überarbeitungen irgendwann betriebsblind.

Für den NaNoWriMo 2014, als ich «Die Geister von Ure“ geschrieben habe, habe ich mir einen groben Plotplan zurechtgelegt. Ich habe gerne die Plotpunkte im Auge, dazwischen aber schätze ich die Freiheit, die sich mir beim Schreiben bietet.

Schliesslich ist es auch wichtig, verlässliche Testleser zu haben. Bei «Die Geister von Ure“ haben meine Leser den zu passiven Hauptcharakter bemängelt – darum habe ich dieses Manuskript auch zweimal überarbeitet. Die Überarbeitung machte mir Spass, weil ich an der Geschichte noch richtig toll feilen konnte. Aber irgendwann hatte ich dann doch die Nase voll und wollte wieder «richtig“ Schreiben.

Den Cyberpunk-Roman «Maschinenwahn“ habe ich eigentlich für eine Hörbuchausschreibung geschrieben. Allerdings war der Roman dann zu lang, ausserdem konnte ich die Deadline nicht einhalten. Darum habe ich den dann nochmals umgeschrieben und weiter ausgebaut. Meine Testleser liessen mich durch die Blume wissen, dass eine Fortsetzung doch Sinn machen würde und so habe ich an knapp einem Tag schliesslich eine Trilogie daraus geplottet.

Mit dieser Vorgehensweise bin ich nun sehr zufrieden und sie stimmt für mich. Ich komme besser voran und auch die Schreibblockaden, die ich früher hatte, kann ich mit dieser Methode verhindern.

Worum geht es in deiner Cyberpunk-Trilogie und wie hast du sie geplottet?

Der Protagonist, ein Arzt, der illegale Transplantationen mit Cyberware durchführt, gerät an seine Patientin und zukünftige Begleiterin, als er sie für eine grosse Summe Geld modifizieren soll. Natürlich läuft nicht alles nach Plan und so werden beide in eine spannende und rasante Geschichte verwickelt, die im Jahr 2060 spielt und unter anderem Schauplätze in Zürich, Russland und Genf hat.

Der erste Teil war ursprünglich als eigenständiger Roman konzipiert. Schliesslich aber kristallisierte sich heraus, dass die Geschichte noch weitererzählt werden kann. Am Cyberpunk interessiert mich vor allem die Technologie. So spielten im ersten Teil Cyber-Prothesen und die psychischen Auswirkungen auf den Menschen eine Rolle. Denn was bewegt jemanden, einen gesunden Körperteil zu entfernen, um ihn dann durch eine bessere Prothese zu ersetzen? Im zweiten Teil spielt die Nanotechnologie eine Rolle und im dritten Teil werde ich mich einer weiteren sehr interessanten technischen Entwicklung widmen.

Um diese technischen Aspekte herum habe ich nun die Trilogie aufgebaut. Schliesslich gibt es einen übergeordneten Plot, der alle drei Teile miteinander verbindet und die Geschichte auch zu einem fulminanten Ende führt.

Schreibst du auch Kurzgeschichten?

Ich habe früher keinen Kurzgeschichten-Wettbewerb ausgelassen. Somit habe ich auch Geschichten in Genres geschrieben, die ich vielleicht nie gewählt hätte. Oftmals habe ich aber die Deadlines verpasst, was ich aber nicht als tragisch empfand. Denn die Kurzgeschichten waren für mich eine sehr wichtige Übung, um das Handwerk des Schreibens zu erlernen.

Momentan ist es so, dass wenn ich an einem Roman schreibe, ich die Priorität auf den Roman lege. Aber ich würde gerne zwischendurch mal wieder eine Kurzgeschichte schreiben. Die Erfahrung und die Erfolgserlebnisse sind einfach mega wichtig für die persönliche Entwicklung. Ausserdem sind sie bestens dazu geeignet, fremde Genres und Dinge auszuprobieren.

Auch du kommst nicht drum herum und musst den Klassiker aller Fragen beantworten: Woher holst du deine Inspiration? 🙂

Die meisten Ideen erhalte ich aus Gesprächen. Die Idee zu «Maschinenwahn“ kam mir bei einem Gespräch mit Pizza und Bier. Ich bin sehr an zukünftiger Technologie interessiert, und spinne gerne den Gedanken weiter, wie sich die Technik und die Welt entwickeln könnte.

Die Idee zu «Die Geister von Ure“ kam mir während eines Theaters in Andermatt. In diesem Stück kamen in einer Szene verschiedene Sagengestalten vor und diese faszinierten mich so sehr, dass ich mich weiter in die Sagenwelt vertiefte.

Und beim letzten Artefakt war es der Charakter von Arala, der mich wahnsinnig gereizt hat, und der seine Geschichte erzählen wollte.

Du hast viele Projekte am Laufen und geplant und bist nebenher voll berufstätig. Wie findest du neben der Arbeit noch Zeit zum Schreiben?

Früher habe ich vor der Arbeit eine Stunde geschrieben. Jetzt ist das aber wegen des weiteren Abeitsweges nicht mehr möglich und am Abend kriege ich fast nichts mehr zusammen. Dafür schreibe ich nun unterwegs. Ich reise hauptsächlich mit dem Zug – sei es unterwegs zu Eltern, Freunden oder Arbeit. Die ÖV sind hierfür top: Ich nutze jede freie Minute, denn «Kleinvieh macht auch Mist“, auch wenn es nur zehn Wörter sind. Und dank Laptop und Cloud-Services habe ich meine Projekte immer mit dabei.

Ich nutze jede freie Minute zwischendrin zum Plotten oder zur Marketingplanung. Das Notizbuch – egal ob analog oder digital – habe ich immer dabei. Das hat sich als sehr nützlich erwiesen.

Neben all dem hast du den Verein der Schweizer Phantastikautoren gegründet. Wie kam es dazu und was ist das Ziel des Vereins?

Wir waren vier Schweizer aus dem Tintenzirkel, die eine Lesung organisieren wollten. Ich hatte die Idee für einen Verein schon länger, denn es macht sich einfach besser, wenn man sich als Verein Schweizer Phantastikautoren vorstellt, als mit «wir sind eine Gruppe von Autoren, die …“. So kam es, dass wir vier Tintenzirkler im Sommer 2015 den Verein gründeten.

Es gibt in der Schweiz im Fantasy-Genre viele «Eigenbrötler-Autoren“. Auf der Beaumonde waren wir das erste Mal als Verein präsent und es war grandios. Wir schienen offene Türen einzurennen, denn nach dem ersten Auftritt hatten wir sieben neue Mitglieder und viele Bücher verkauft. Das war ein toller Kickstarter.

Wir gewinnen laufend Mitglieder dazu, veranstalten einen regelmässigen Stammtisch und betreiben ein Forum. Der Austausch und die Vernetzung unter den Autoren ist sehr wertvoll und es motiviert unglaublich. Man merkt, man ist nicht allein und allen geht es gleich. Durch Lesungen, Werbung und Social Media erreichen wir zudem Leute, die uns nie gefunden hätten.

Hast du noch einen letzten Tipp für alle angehenden Autoren da draussen?

Für mich ist das Schreiben keine Kunst, sondern ein Handwerk. Was mich sehr motiviert, denn im Gegensatz zur Kunst kann man ein Handwerk erlernen. Das braucht aber Zeit und Ausdauer. Sehr wichtig ist, dass du dir bewusst machst, weshalb du schreibst. Wenn du berühmt werden und im Geld baden willst, hast du vielleicht mehr Glück, wenn du dir einen Spitzensportler angelst.

Schreiben an sich ist ausserdem eine eher einsame Tätigkeit, die man oft für sich alleine im Kämmerchen betreibt. Umso wichtiger finde ich es, dass man abseits vom wirklichen Schreiben den Austausch mit Gleichgesinnten sucht. Das hat mir selber immer mehr gebracht als jeder Schreibratgeber.

Darum: Nicht aufgeben, dranbleiben und den Austausch suchen.

Liebe Carmen, danke dir vielmals für das tolle Treffen und das interessante Gespräch!


«Die Geister von Ure“

Von seinem Dorf zum Sündenbock gemacht und vom eigenen Vater abgewiesen, verlässt Oldarn sein Zuhause, um seine begangenen Fehler gutzumachen. Für ihn beginnt eine Reise durch das Tal von Ure, die sich als gefährlicher herausstellt, als er angenommen hat. Hilfe erhält er unerwartet vom schweigsamen Jäger Exer, doch dieser verlangt eine Gegenleistung, die Oldarn auf eine blutige Spur lockt. Dabei erfährt er vieles über die Menschen und sich selbst– und über die Geister, die ihr ganz eigenes Spiel spielen.

Ein phantastischer Roman basierend auf Innerschweizer Sagen.

Erschienen: 1. Mai 2016 | Erhältlich bei Amazon

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